Exzellenz,
Hochwürdige Herren,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde,
es freut mich ganz besonders, dass diese schöne Veranstaltung an einem 13. Oktober stattfindet, denn dieser 13. Oktober ist ein ganz besonderer Tag. Heute vor genau 95 Jahren hat sich in einem kleinen Dorf im Norden Portugals, in Fatima, für einen Augenblick der Himmel geöffnet. Sechs Mal war in diesem Jahr von Mai bis Oktober, jeweils (mit einer Ausnahme) an einem 13., drei Hirtenkindern die Madonna erschienen. Und weil so viele Menschen zweifelten, die Botschaften der Kinder für fromme Phantasien hielten, hat die Gottesmutter versprochen, die Wahrheit der Erscheinungen auf eine für alle sichtbare Weise zu bestätigen. So ereignete sich an diesem 13. Oktober das große Sonnenwunder von Fatima. Über 70.000 Menschen, gleich ob gläubig oder ungläubig, gebildet oder ungebildet, inklusive Akademikern und kritischen Journalisten sahen, wie die Sonne sich zu drehen begann, zur Erde zu fallen drohte, wie ihre Wärme die vom Regen durchnässte Kleidung der Menschen trocknete. Keiner hat je dieses Ereignis rational erklären können. Es war, es ist und bleibt ein Wunder. Und es hat den Vorteil gegenüber all den biblischen Wundern, von denen uns immer noch kritische Theologen erklären können, das seien fromme Fabeln, das sei nicht wörtlich zu nehmen, dahinter verstecke sich eine tiefere Bedeutung und so weiter, dass es sich vor den Augen der kritischen Menschen des 20. Jahrhunderts ereignete und gleich am nächsten Tag auch von den weltlichen, ja sogar von eigentlich atheistischen Medien bestätigt wurde.
Was aber hat das mit dem „Jahr des Glaubens“ zu tun, das der Heilige Vater vor ein paar Tagen so feierlich einläutete? Sehr viel! Denn in Fatima ging es natürlich nicht um spektakuläre Himmelserscheinungen, sondern um viel mehr. Um einen Aufruf zum Gebet. Zur Treue im Glauben. Das, so erklärte die Gottesmutter, sei der einzige Weg, die bevorstehenden Turbulenzen im Jahrhundert der gottlosen Diktaturen seelisch unbeschadet zu überstehen. Sie sagte nicht nur das Ende des 1. Weltkriegs und den Beginn des 2., den Aufstieg und Fall der Sowjetunion, das Papstattentat von 1981 und die Perestroika ja sogar die Bekehrung Russlands, die wir heute so eindrucksvoll erleben, voraus. Sie rief auch dazu auf, den Rosenkranz zu beten, als wirksamste Waffe gegen die Versuchungen aller Moden und ideologischen Strömungen der „Moderne“. Und sie zeigte mit dem Sonnenwunder: Glaube ist Wahrheit! Es gibt eine Macht, die über die Erfahrungen des Alltags, über die Naturgesetze, über alles, was unser materialistisches Weltbild als „Realität“ definiert, hinausgeht. Gott wirkt in die Geschichte und damit auch in unser Leben hinein. Wir können ihm begegnen, wir können mit ihm reden – im Gebet!
Wie wahr das ist, welche Kraft der Glaube und das Gebet haben, gerade auch wenn sie in der Familie praktiziert werden, sieht man doch wunderbar am Beispiel unseres Heiligen Vaters. Sie wissen es vielleicht, ich habe im letzten Jahr die Erinnerungen Georg Ratzingers aufgeschrieben und veröffentlicht, des Bruders unseres Papstes. Und was an diesen Erinnerungen an die gemeinsame Kindheit und Jugend am meisten beeindruckte, war, wie tief diese einfache bayerische Familie aus ihrem Glauben heraus lebte und wie dieser Glaube ihr die Kraft gab, den Irrungen und Wirrungen des Zeitgeistes zu widerstehen. Der Glaube war ihre Kraftquelle. Sie beteten gemeinsam, knieten täglich auf dem Küchenboden, während Vater Ratzinger den Rosenkranz vorbetete. Und dieses gemeinsame Gebet schmiedete die Familie zusammen. Überhaupt, so glaube ich, ist das gemeinsame Gebet in den Familien das stärkste Gegengift gegen so viele Übel unserer Zeit, kann es helfen, so viele Probleme zu lösen, die sonst die Familien spalten, wirksamer und preiswerter als jede Familientherapie! Vor allem aber ist der gelebte und praktizierte Glaube in der Familie doch der beste Weg aus dem Problem, das unsere Kirche am meisten belastet, den Priestermangel. Wie harmonisch können Berufungen erwachsen, wenn ein Junge von klein auf an mit seinen Eltern in die Heilige Messe geht, später am Altar dient und irgendwann spürt, dass die Kirche seine Heimat ist. Und, meine lieben Freunde, Glaube ist Heimat!
Im Fall der Ratzingers war es diese frühe Integration in das Glaubensleben, das zu ihren Berufungen führte. Es war die inspirierende Kraft der katholischen Kultur Bayerns, die aus den Söhnen eines Landgendarms zwei Genies werden ließ, der eine ein weltbekannter Komponist und Chorleiter, der andere der größte Theologe deutscher Sprache und dann eben der Nachfolger Petri. Und es war das gemeinsame Gebet, dass diese Familie nicht nur aneinander schweißte, sondern sie auch immun machte gegen das Übel ihrer Zeit, die Ideologie Adolf Hitlers. Ihr Glaube machte es ihnen möglich, den Lug und Trug der braunen Rattenfänger von Anfang an zu durchschauen und nicht mitzulaufen, wie es so viele taten, sondern ihren eigenen Weg zu gehen, so unbequem das auch manchmal war. Auch dazu verleiht der Glaube die Kraft!
Wir können doch stolz sein auf unseren katholischen Glauben und den Reichtum unserer katholischen Kultur, auch und gerade hier in Köln mit seinem herrlichen Dom und den wunderbaren romanischen Kirchen. Es ist eine Kultur, die jeden, der feinsinnig und intelligent veranlagt ist, auf ihren Schwingen hinauf in die höchsten Höhen trägt. Immerhin hat sie die größten Maler, Bildhauer und Komponisten aber auch die größten Wissenschaftler und Denker der Geschichte inspiriert. Wir haben einen so kostbaren Schatz in unserem katholischen Glauben und unserer katholischen Kultur, dass es eine echte Schande ist, wie wenig wir heute daraus machen, wie nachlässig wir damit umgehen. Denn Glaube inspiriert den Menschen dazu, über sich hinauszugehen, er gibt ihm, seinem Handeln und Denken, nur einen einzigen Maßstab: den Himmel! Ja, meine lieben Freunde, der Glaube macht den Menschen größer!
Die Krise der Kirche, von der immer wieder gesprochen wird, ja die immer wieder beschworen wird, ist doch einzig und allein eine Krise des Glaubens, die ihre Wurzeln auch in einer Theologie hat, die sich zu sehr dem materialistischen Zeitgeist anbiederte. Der Heilige Vater hat dies erkannt und mit seiner Trilogie „Jesus von Nazareth“ den Gegenentwurf geliefert, nämlich eine theologisch brillante Exegese, die aber die Geheimnisse des Glaubens nicht negiert und rationalisiert, sondern vertieft. Die nicht den Evangelien ihren Wahrheitsgehalt abspricht, sie zu frommen Märchengeschichten erklärt, sondern ernst nimmt als Zeugnisse von Menschen, die nicht weniger erlebt haben als das Wirken Gottes. Oder, um es mit den Worten des hl. Petrus im 2. Petrusbrief zu sagen: „Denn wir sind nicht irgendwelchen klug ausgedachten Geschichten gefolgt, als wir euch die machtvolle Ankunft Jesu Christi, unseres Herrn, verkündeten, sondern wir waren Augenzeugen seiner Macht und Größe.“ (2 Petr 1,16) Das ist in meinen Augen einer der wichtigsten Sätze des ganzen neuen Testaments, denn er beglaubigt gewissermaßen die Echtheit und Wahrheit des Berichteten. Er lehrt uns, zu glauben und auf das zu vertrauen, was uns die Evangelien berichten. Solange wir die Grundlagen unseres Glaubens relativieren, wird unser Glaube selbst auf tönernen Füßen stehen. Doch wie wahr er ist, dass sich der Himmel öffnen kann und Wunder möglich sind, ganz wie es der hl. Petrus in dieser Schriftstelle bezeugt, das hat sich doch auch heute vor 95 Jahren in Fatima gezeigt! Ja, meine lieben Freunde, Glaube ist Wahrheit.
Die Erneuerung des Glaubens ist das Gebot der Stunde. Erneuerung durch Gebet, durch Empfang der Sakramente, durch die Begegnung mit dem Herrn. Erneuerung der Kirche durch die Familien, die Hauskirche, durch Vermittlung des Glaubens an Kinder und Jugendliche. Wenn wir uns diesen Aufgaben stellen, dann kann uns die Reevangelisierung Europas gelingen. Dazu lädt uns das Jahr des Glaubens ein, dazu sollten wir alle, jeder einzelne von uns, seinen Beitrag leisten. Glaube, liebe Freunde, ist Hoffnung, Hoffnung auf etwas Besseres, das für den, der glaubt, bereits in greifbarer Nähe liegt. Denn wer im Glauben handelt, wer von ganzem Herzen betet, der kann darauf hoffen, erhört zu werden.
Gemeinsam kann uns die Neuevangelisierung unserer Heimat, Europas, gelingen. Und auch das, dieses Gemeinsame, ist ein Kernelement des Glaubens. „Wer glaubt, ist nie allein“ lautete schon das Motto, unter das der Heilige Vater seine erste Deutschlandreise stellte.
Was aber ist unser katholischer Glaube? Schon vor 44 Jahren hat unser Heiliger Vater ein Buch geschrieben, das diese Frage in einer Eleganz und Klarheit beantwortet, wie es bislang noch keinem Theologen gelungen war. Sein Buch „Einführung in das Christentum“ gelangte in die Hände des damaligen Papstes, Pauls VI., der so beeindruckt war, dass er ihn zum Erzbischof von München und Freising und zum Kardinal machte. Johannes Paul II. holte ihn sogar nach Rom, weil er mit dieser Theologie die Kirche erneuern wollte.
Ich kann dieses Buch Ihnen allen nur ans Herz legen.
Sein Kern ist die Beschäftigung mit dem Credo, dem Apostolischen Glaubensbekenntnis. Dass wir über seine Worte meditieren, ist quasi die Hausaufgabe, die uns Papst Benedikt im Jahr des Glaubens mit auf den Weg gegeben hat. Ich denke, es wäre ein schöner Abschluss des heutigen Abends, wenn wir gleich gemeinsam das Credo beten würden. Denn wer glaubt und wer betet, der ist in der Tat nie allein.
Ich wünsche Ihnen allen Gottes reichen Segen!
http://www.d-pro-papa.de/index.php/abenteuer-glaube-am-131012-im-koelner-domforum